5:15 Uhr wach ich auf. Im Nachbarzimmer gibt es bestialischen Lärm, nachdem der Kollege nebenan wohl eine Stunde zu früh aufgestanden ist. Vom elektrischen Rasierer über knallende Türen die gesamte Palette. Bloß gut, dass man tagsüber ja nicht fit sein muss und Müdigkeit Nebensache ist. Aber so soll es wohl sein. Halb 7 ab zum Frühstück. Heut gab es sogar Salami und eine Scheibe Käse. Und die Brötchen waren nicht dunkel, sondern das Gegenteil von hell. Aber ich hab’s überlebt und bin noch nich verhungert. Ach ja: Apfelsaft schmeckt absolut nach allem, aber nicht nach Apfel. Merkt euch das, falls ihr in der hiesigen Kantine einmal einkehren solltet.
So weit so gut: um 7.25 Uhr startete der praktische Teil des Tages. Schusssichere Westen und Stahlhelme wurden verteilt, ehe es ins Gelände ging. Das Folgende im Einzelnen zu schildern würde jetzt den Rahmen sprengen, im wahrsten Sinne des Wortes. Aber hier in Kurzform: Wir, die ach so tollen Journalisten, hatten den Auftrag in der bekannten Übungsstadt „Bonnland“ einen fiktiven Bürgermeister zu interviewen. Dabei stießen wir auf verschiedene Hindernisse: Bettler, Amokläufer, Kreuzfeuer und – wie in jeder deutschen Kleinstadt üblich: Autobomben. Ja, mit sowas scherzt man nicht. Dennoch war manches recht amüsant. Vor allem aber der Teil danach: Wir musste erneut durch die Stadt den Bürgermeister suchen und Einheimische, sogenannte „Locals“, befragen. Manchmal warne die nett und zuvorkommend, manchmal waren aber auch die typischen „russischen Freunde“ dabei, die mit gebrochenem Englisch fragten wo man her kommt und dann plötzlich nur noch ihre Muttersprache verstehen und einen an die Wand stellen. Man wurde herumgeschubst, angebrüllt, mit Waffen bedroht und aufgefordert, Wertsachen abzulegen. Eine Journalistin wurde auch noch entführt und wie soll es auch anders sein: mit korrupten Polizisten wurde eine Flasche Wodka geleert. Wüsste ich nicht, dass das alles nur Schauspieler waren, hätte ich mich fast wie in meinem letzten Ukraine-Aufenthalt gefühlt. Sehr sehr amüsant, so ernst es im ersten Moment auch rüberkam. Zweck aber auf jeden Fall erfüllt: Neue Szenarien kennengelernt und verschiedene Vorgehensweisen ausprobiert, um sicher aus solchen Situationen herauszukommen.
Nachdem auf dem Schützenplatz ohne eine Sitzgelegenheit ein Schüsselchen Lauchsuppe, ein Schnitzel mit einer gelben Masse, man sagte mir es sei Kartoffelsalat, auch wenn es nicht danach schmeckte, und ein Pfannkuchen, Berliner oder Krapfen verdrückt wurde, ging es ans Eingemachte. Das hab ich glaube gestern schon gesagt. Egal, jedenfalls mussten wir auf freiem Feld herausfinden, aus welcher Richtung wir beschossen wurden. Dazu schossen Soldaten mit Platzpatronen in die Luft – und wir lokalisierten erfolgreich die Herkunft. Anschließend schoss man mit einem Maschinengewehr direkt über unsere Köpfe hinweg. Das sollte uns an eine reale Beschusssituation gewöhnen. Gerade vom Geräuschpegel her. Danach ging es auf einen Berg, von dem aus wir Detonationen von Sprengstoffen beobachteten. Obwohl ich in Schlungwitz unweit des Sprengstoffwerks schon deutlich lautere Sprengungen vernommen hab, war es doch beeindruckend, wie Militärsprengstoff sich anhört und vor allem wie sich die Druckwelle auswirkt. Aus 350 Metern Entfernung war es noch recht sehenswert wie erst 250 Gramm, dann ein Kilo und letztendlich 3 Kilo umsetzten. Doch in 40 Metern Entfernung im Schützengraben eine Menge von 5 Kilo Sprengstoff beim Detonieren zu erleben war ein einmaliges Erlebnis, welches ich hoffentlich nie live erleben muss. Wenn man bedenkt dass Autobomben mit 20 bis 100 Kilo und mehr befüllt werden…
Nachdem sich nun der ein oder andere seinen ersten Sonnenbrand geholt hatte, fuhren wir mit unseren drei Sprintern in den hauseigenen Biergarten am Offizierscasino. Hier gab es eine Auswertung der Übungen, ehe wir uns zum Abendessen begaben – es gab etwas, das wie Schnitzel aussah, jedoch nach Paniermehl und ungewürztem Fleisch schmeckte. Aber ging zu essen. Danach zog es uns noch einmal in den Hörsaal, wo uns der Ausbilder über Checkpoints aufklärte. Wie verhält man sich hier, welche Gefahren birgt ein Checkpoint und worauf muss man sonst noch achten. Viel hab ich hier auf jeden Fall nicht mehr mitbekommen – die Müdigkeit hatte dann doch etwas überwogen…
Morgen kommt dann der lang ersehnte Psychologe zu uns. Danach dann wird ein Sanitätsausbilder verschiedene Erste-Hilfe-Maßnahmen erläutern, die wohl weit vom Führerscheinkenntnis entfernt sind. Hier soll es wohl mehr um Wald-und-Wiesen-Methoden gehen. Ich bin gespannt. Danach werden wir in das fiktive Land Obsidia ziehen und gruppenweise journalistische Aufträge ausführen. Bis zum Donnerstag. Unterwegs wohl mit dem ein oder anderen Zwischenfall. Auch das wird sicher durchaus Spannend…
Bis dahin,
euer Rico